Sonntag, 15. Februar 2009

Noch einmal

An diesem Tag, an dem wir alle zuende gehen,
da lass uns noch einmal Kinder sein.

In unseren Augen fliegen alle Dinge,
und in unseren Mündern wird alles zu Zucker und Kakao.

An jenem fernen Tage, an dem wir enden,
an dem Stunden versekunden,
alles schwindet,
da lass uns noch einmal zwei Kirschen über beide Ohren hängen,
sitzend auf dem höchsten Ast, dem dünnsten, der uns gerade noch trägt.
Lass uns Steine schnippen, die viermal, fünfmal, hundertmal titschen und flitschen.

An diesem Tage, zu dem mein hüpfendes Herz hinunterzählt,
da lass uns eine Höhle bauen aus zwei Matratzen und einer Pferdedecke.

Denn an diesem Tage werden wir Kinder sein, zum letzten, zum ersten Mal.
Jeder auf seine Weise,
Ob man ihm Grimassen schneidet,
oder sich vor Angst in die Hose pinkelt.

Lass uns doch bitte, ich fass dich bei der Hand,
die Nachbarin, die nette, die dicke, nach einer Nussschnecke fragen.
Bis uns unter den süßen Händen der dralle Bauch schmerzt.

Der Katze am Schwanz ziehen, bis die Mutter schimpft.
Dem Vater die Zeitung bringen und auf eine einzelne Mark hoffen.

Lass uns, lass uns bitte
einen Sandkuchen essen und dann wieder ausspucken.
Uns die Knie blutig schlagen am warmen Sommerasphalt,
von der Schaukel springen in hohem Bogen,
wippen bis einer weint,
kreischen bis die Ohren taub sind
und lachen bis alles kippt und alles wankt.

An diesem Tag, an dessen kahlem Ende wir uns betten,
da lass uns Hölzer in Kastanien stecken
und uns die Finger an heißen Maroni verbrennen,
bunte Folie auf Karton kleben,
durch eine Klopapierolle schauen
und in einen Becher sprechen.

Wir basteln dann eine Laterne, die uns den Weg leuchtet,
wo Sonne, Mond und Sterne nicht mehr scheinen.
Auf dem Weg teilen wir Mantel und das Zuckerbrot.

Auf eine Biene treten,
Uns auf eine Hummel hocken,
Einen Käfer schubsen.

Lass uns in einen Apfel beißen,
Auf einer Plastiktüte rodeln,
über das Eis gehen bevor es bricht.
Der Hund zieht vielleicht den Schlitten.

Lass uns bunte Perlen bügeln,
uns Blumen malen so groß wie das Papier.
Ein Haus aus bunten Klötzen bauen, statisch unmöglich,
der Puppe die Haare schneiden und
den Playmobilmann enthaupten.

Lass uns tausend Kleider anprobieren,
den roten Lippenstift im ganzen Gesicht verschmieren,
Modenschau machen vor dem großen Spiegel.
Erwachsen tun, aber wirklich nur so tun!
Uns mit Rasierschaum einen weißen Rauschebart machen.

Im Garten Tomaten ernten und Unkraut rupfen,
Himbeeren pflücken bis der Mund ganz rot ist und die Hände leer.
Freihändig Fahrrad fahren
Beidhändig klatschen und schief singen
Teller balancieren bis alle zerspringen.

Lass uns weinen bis wir in warmen Armen einschlafen,
um nie wieder aufzuwachen.

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