Montag, 11. August 2008

Max, eine Begegnung in 7 Akten

IV
Max fragte oft weshalb ich nie Musik hörte, weshalb ich nie fern schaute und auch kaum zum Kino zu überreden war. Meine ehrlichste Antwort war stets ein Kuss. Ich war so hungrig, so lebensbegierig, so verzweifelt vom Fieber befallen, wie ich ein Viertel Jahrhundert lang verschlossen und still gewesen war. Und er war der Auslöser ohne selbst dieselbe Leidenschaft zu empfinden. Ich konnte keine Musik mehr hören, weil ich das Gefühl hatte am Dämpfen zu ersticken, am gedämpft leben. Jeden hellen Tag im Schatten zu verbringen, eingeschläfert und verschleiert vom Alltagstrott. Zwischen einer Million Menschen zu leben heißt niemand zu sein und nichts zu leben. Deshalb keine Musik mehr. Lieber, besser die pure Stadt. Mit den Geräuschen, dem Lärm. Auch mit dem Geruch nach Schweiß, Urin, selten Erbrochenem. Das verkörperte Leben strömt in Augen und Nase, in Ohren, erfüllt uns, durchdringt uns, durchfährt uns, liebt uns und lässt uns danach alleine zurück. Das verkörperte Leben für mich allein.
Max war rein, klar, clean. Er war stets frisch rasiert, umgeben von einem Geruch so sehr nach ihm, nach Mensch, nach Mann ohne jeden Darstellungsversuch. Ich liebte den Schweiß, der ihm in glitzernd silbrigen Bächen von der Stirn und über den Rücken rann, wenn wir uns in der Sonne liebten, ich fuhr mit den flachen Händen darüber, zuerst über ihn, dann über mich. Salz und Schweiß und kein Zentimeter mehr Abstand, mehr Distanz zwischen uns. Kein Parfum, keine Rasierwasser, kein Duschgel und auch keine Ängste. Nur wir, nur wir und nur unsere Körper, das Denken hatte uns verlassen, hatte keinen Platz mehr in einer Welt in der nur wir, wir waren. Sonst nichts.
In manchen Nächten schlief ich, seinen warmen Arm mit dem meinen umschlingend, die Nase an seinem Ellenbogen. Dachte in diesen stillen Stunden, in denen er nicht mehr Wache stand, könnte ich ihn einsaugen, ihn mir zu eigen machen, einverleiben und müsste ihn so niemals missen. Nichts wollte ich im Leben von ihm missen, obwohl ich schon immer wusste: Er wird niemals mir gehören.

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Zuletzt aktualisiert: 14. Januar, 18:08

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