Sonntag, 10. August 2008

Max, eine Begegnung in 7 Akten

III
Seine Stille reichte für uns beide. Sie war durchdringend, erfüllend, ohne beredt zu sein, ohne dass darin etwas mitschwang oder dass sie peinlich wurde. Es war nicht einmal so, dass wir uns nichts zu sagen hatten. Wir redeten durchaus, nur nicht über wichtiges. Wir redeten über Zigaretten, über Essen, über den Regen und seine Schönheit einmal, was schon viel war. Wie man mit anderen Leuten um den heißen Brei herumredet, fing ich mit ihm einfach gar nicht erst zu reden an. Lange lief ich noch mit dem Gefühl des Unausgesprochenen herum, mit dem Gefühl etwas mache uns, unser Zusammensein unsicher, hatte aber Angst jedes Wort könnte sich zwischen uns stellen und ich könnte eine Barriere erreden. Doch nach ein wenig Verdrängung und dem Trugschluss der Zeit, versiegte das Gefühl und zurückblieb nur noch die endlose Sehnsucht nach seiner körperlichen Nähe, die nicht zu stillen war, schon gar nicht durch seine Anwesenheit.
Max war nicht von traurigem Gemüt, er grollte nicht, hegte keine Wut. Er war mir niemals böse, noch unterstellte er mir je etwas, mir schien, als hege er keinerlei Misstrauen gegen die Welt und seine Bewohner, weil diese ihm nichts anhaben konnten. Er war ein lebloser Stein im reißenden Fluss und wurde er auch ab und zu ein Stück weitergeschubst, so war es ihm doch ganz gleichgültig, da jede Stelle im Fluss gleich gut, jede Biegung gleich interessant war. Er liebte nichts und dennoch an allen Tagen alles.

Samstag, 9. August 2008

Max, eine Begegnung in 7 Akten

II
Max Stimme war dunkel und kräftig, sie erinnerte mich an die großen rauen Hände meines Vaters, die ich als kleines Mädchen so gern gehalten hatte, an Kaminfeuer und an dunkles Holz. Er sprach nie zuviel und wenn er etwas erzählte dann auch nur so förmlich, so schmucklos, dass es kaum ein Erzählen war, als mehr ein Berichten. Er benutzte selten Adjektive. Ausgerechnet Adjektive, die mir so heilig waren, die ich so zelebrierte, die ich, in jener Zeit an alle Dinge hängte oder ihnen vorausschob, sie zwischen Kommata in Sätze packte, sie als Adverbien tarnte, sie zur Unkenntlichkeit substantivierte und die ich nur ungern und nur wenn ich mir sicher war, dass es der Beschreibung nicht abträglich war, wieder strich, immer begleitet von dem Gefühl etwas doch Entscheidendes wegzulassen. Er, mit der kargsten Sprache, die mir je untergekommen war und in der ich zuerst kaum etwas schönes zu finden vermochte. Und doch gefiel mir seine Stimme. Ich hatte das Gefühl sie versetze den ganzen Sitz unter mir in Vibration und mit ihm mich und mit mir die Welt. Mir fiel es so schwer den Inhalt seiner Worte zu fassen, ich blickte ihm starr ins Gesicht und nahm ihn doch kaum wahr.
Mädchen hat er mich seit dem Tag genannt als wir uns kennen lernten und nie wieder anders, außer einigen holprigen Versuchen mit meinem richtigen Namen, die ich als störend, ja als verstörend wahrnahm und die in mir irgendwie das Gefühl hervorriefen, ich müsse mich umdrehen und schauen wer hinter mir stehe und gemeint sei. So blieb es beim Spitznamen, der irgendwann die eigentliche Bedeutung verlor und zu meinem Namen wurde, zu dem Namen, der mich zierte, wenn ich bei ihm war und auf die eine Weise mehr als jeder andere beim Namen nannte. Dabei sprach er es ganz furchtbar aus. Mit diesem typischen SCH der Berliner Jugendszene, als hätten alle deutsch verlernt, oder - was noch schlimmer ist - als wäre es ihnen zu uncool.
Mädschen taufte er mich und ich fand nicht eine Sekunde Missfallen daran.
Ich kann heute nicht mehr sagen, was er gesagt hatte, als er mich zum ersten Mal ansprach, ich weiß nur noch, dass er es dreimal sagen musste, ehe ich aus der Erstarrung erwachte in die sein plötzliches Sprechen und seine Stimme mich versetzt hatten.
Meine erste unterbewusste Reaktion darauf war, meine Hände zur Faust zu ballen und die abgekauten Fingernägel darin zu verstecken. Schon daran hätte mir klar werden müssen, wie gefährlich er mir werden könnte.
Zwei Fremde blickten sich ins Gesicht, deren Alltag in einem riesigen Monster aus Existenzen auf einmal aufgerieben war, durchbrochen wurde voneinander. Ich war irritiert, verstört fast, er blickte unwirrsch, missbilligend. Er mochte sie nie, die Aufmerksamkeit. Ein Omen kann man vielleicht die Tatsache nennen, dass unsere Begegnung angefangen hat, wie sie verlief und endete: Wortlos.

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Zuletzt aktualisiert: 14. Januar, 18:08

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