Samstag, 16. August 2008

Homecoming queen

Ich sitze auf der terrakottafarbenen Velourcouch meines Heimaturlaubs am Ende der Zivilisation, meine Mutter in Unterhosen und T-Shirt, die Beine unrasiert, kommentiert den Georgienkrieg: "Dass der Russe immer mehr will, dabei gehört ihm doch die halbe Welt." Der Schwäbische Dialekt macht die Aussage noch wahnwitziger. Ich sinke tiefer in die Couch aus Watte. Wann hat sie angefangen so muffig zu riechen und nicht mehr nach neuem Auto und Febréze? Ich stopfe unaufhörlich Kartoffelsalat in mich hinein und zappe mich durch die Programme. "Stopp!", sagt meine Mutter als ich bei "Genial daneben" ankomme. Cindy aus Marzahn sei so authentisch, meint sie, die schaue sie gern. Mir hängt ein Stück Kartoffel als Kropf im Hals. Ich schlucke.
Ich weiß nicht so genau warum ich nicht hier ankomme, diesesmal. Warum ich I. Im Eiscafe gegenübersitze, und mir nichts einfällt zu sagen außer: Weißt du noch damals? Und selbst das, tausend mal gesagt, die Verklärung der Vergangenheit hat ihren Zenit bereits überschritten. Ich bin müde. Mit Tim schaue ich einen schlechten Film mit Nicholas Cage, er findet ihn gut. Ich lächle, ein Konsens hätte auch irgendwie nicht ins Bild gepasst. Die zweite Freundin rufe ich an und lege wieder auf, beide sind wir insgeheim froh darüber, dass wir keinen Termin gefunden haben, in der Zeit in der ich da bin. Die beiden anderen konnten gar nicht erst kommen. Keine Zeit. Wir verschwinden ,denke ich und erkenne mich auf den alten Bildern nicht wieder. Dabei trage ich die Haare gleich.
Was wid noch von uns übrig sein, wenn wir uns an Weihnachten, am Fest der Liebe wieder sehen? Ich sehe uns schon sitzen, in der dampfenden Schokolade rührend, die die einzige Wärme im Zimmer abgibt und höflich, förmlich über alte Zeiten plaudernd, achja, immer die alten Zeiten.
Ich bin alt geworden, denke ich wieder und suche im Spiegel nach Falten, der pubertäre Pickel über der linken Augenbraue will nicht dazugehören, hängt als Separatist ins Bild. Die graue Haut spannt sich über Gedankenberge und wirft Wellen gegen das Vegessen. Ich klatsche mir Wasser ins Gesicht, immer wieder, aber die Angst lässt sich nicht wegspülen.

Mittags saß ich im Garten und scheiterte bei dem Versuch Urlaub zu machen.
Nichts als das Summen der Fliegen, nichts als das Plätschern des Gartenteichs. Sonst:Stille. Ich lebe, denkt mein Herz und sehnt sich die Finger zwischen die Beine, die Schokolade in den Mund, den Alkohol in die Adern. Ich sterbe, sagt mein Herz und wünscht sich Porenlosigkeit, Body-Lotion-Glätte, Parfumgeruch, Ariel ATMUNGSAKTIV.

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Zuletzt aktualisiert: 14. Januar, 18:08

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