Sich Drehendes

Dienstag, 7. April 2009

Im Meer.

Die Gischt färbt mir die feuchten Lippen weiß und krönt meinen Kopf mit Schaum.
Ich bin der König.
Ich schwimme, bis die Arme erst warm, dann heiß werden, bis mein Körper keine Nässe mehr spürt und ich nichts bin als mein Puls und das Rauschen meines Blutes. Ich schwimme und atme, ich schwimme, Zug um Zug, dem Offenen, dem Weiten entgegen.
Ich stelle mich tot auf den Wellen, in Fetzen erscheint die Welt und begrüßt mich:
Ein Lachen
Wellenrauschen
jemand ruft
Wellenrauschen
Stille
Wellenrauschen
etwas summt an meinem Ohr
der Schrei einer Möwe
Wellenrauschen
Blubberblasenaufstiegsgeräusch
Wellenrauschen
Menschengemurmel
Wellenrauschen
Die Sonne ist ein rotes Glutkohleauge, das auf mich niederblickt, mich anstarrt, mich verbrennt. Mein Herzschlag schickt Konvulsionen durch mich. Ich lebe. Ich bin aufgetaucht. Ich bin real.
Jetzt, gerade, bin ich da.

Samstag, 4. April 2009

Ein Tag am Meer.

Hier, gerade, jetzt. Die Sonnenstrahlen brechen sich in den roten Fäden vor meinem Fenster, malen Zebrastreifen auf meine geschundenen Füße, erhellen alles, illuminieren jedes Ding in meinen Gedanken. Momentan-Verklärung.
Gestern: Zwei ewige Pilger laufen durch die Straßen dieser Stadt, unsere gierigen Finger wühlen sich in Nanosekunden durch Berge von Buchrücken, wir pressen die Funde wie unsere Kinder gegen die Brust und lächeln uns an, bezahlen. Gekauftes Glück. Wir quillen aus dem Laden und treten ins Licht. Gleißend empfängt uns das Lachen. Wir taumeln. Ja, wir taumeln, gehen vorbei an kaffeetrinkenden Sonnenanbetern, an T-Shirtträgern, an Sonnenbrillenfanatikern, taumeln und schlittern eislos die Karl-Marx-Allee entlang und denken wir sind in Moskau im Hochsommer. Selbst das Grau der Häuserfassaden schillert bunt heute. Wir laufen der Silberkugel entgegen und lächeln nur, wir reden auch zehn Minuten nichts und lächeln nur. Kaufen irgendwo Apfelmus und Käse und Mehl.
Am Alexanderplatz essen wir das erste Eis und setzten uns auf warme Steine. Das ist es. Das ist Glück.
Zuhause backe ich Eierkuchen und versaue dabei die ganze Küche und meine Kleidung, der klebrige Teig spritzt überall hin. Alex kämpft gegen die fertigen Eierkuchen und gewinnt. Pfannkuchen null, Mensch drei. Und immer das Lachen.
Als der Abend hereinbricht wissen wir nicht wohin mit den Endorphinen und werden kreativ, basteln Lesezeichen und Türbilder und räumen auf und wischen Staub. Alles neu.
Hier, gerade, jetzt, ich werde geweckt, bekomme einen großen Milkahasen geschenkt und strahle. Die Sonne bricht und bricht und wird niemals zerstört.
Ich will nicht weg. Wenn ich an den September denke, eigentlich mein Lieblingsmonat, wird mir ganz schlecht. Wenn du gehst, sagt Alex, red ich nie wieder mit dir, und er lacht dabei. Ich weiß dennoch: Die Sphäre, das Jetzt, das fast Perfekte (alles, was wir jemals bekommen ist das nahe-dran und es ist um seiner Macken noch schöner), die Wellen auf denen wir reiten, das Leben und die Träume, die wir hier haben, ich werde sie zerstören, wenn ich gehe.
Aber ich werde nicht gehen. Ich will nicht. Ich kann auch gar nicht.

Freitag, 20. März 2009

Portrait

Sieh mich an!
Ich gehe verloren.
Mein Gesicht schwindet in der Tiefe.
Das Blau des Meeres ist das Blau meiner Augen.
Nichts hält seinen Wogen mehr stand.

Sie mich an!
Ich verschwinde.
Meine Träume verschütten sich selbst.
Das Braun der Erde ist das Braun meiner Haare.
Nichts trägt mehr die Lasten.

Sieh mich an!
Ich löse mich auf.
Mein Körper verbrennt in der Glut.
Das Rot der Sonne ist das Rot meines Herzens.
Nichts löscht sie noch.

Sie mich an!
Ich bin nie gewesen.
Meine Seele taucht in die Wolken.
Das Weiß des Windes ist das Weiß meiner Haut.
Nichts ist mehr für die Ewigkeit.

Dienstag, 3. März 2009

Was ich bin und was nicht

Was ich nicht bin
Hängt immer zwischen den Stundenplänen an der Küchenwand
Was ich nicht bin
Ist der Sekundenzeiger
Den es auch an meiner Armbanduhr nicht gibt
Was ich nicht bin
Wird in allen Telefongesprächen stets und stets behauptet
Aber
Das bin nicht ich

Ich bin kein gerade Linie
Ich bin keine Erfolgskurve
Manchmal strebe ich ins unendliche
Und manchmal gehe ich gegen Null
Aber ich bin kein Kreis, ich wiederhole mich nicht
Ich tändle nur gern
Auf und nieder
Immer wieder

Was ich nicht bin
Ist ein volles Glas Wasser
Und auch kein leeres
Ein leeres Glas Wasser ist keines mehr
Es ist nur noch ein Glas
Vielleicht bin ich das - ein Glas
Befüll mich mit süßer Limonade
Oder mit schönen Wünschen
Ich trinke mich an allem satt

Was ich nicht bin
Ist ein Kleinkrämer oder ein Kurzwarenhändler
Ich verkaufe keine Bürgerlichkeiten
und überhaupt gar keine Mehrheiten
Vielleicht bin ich das, einer mit einem Bauchladen
Was man mir reicht, verstaue ich darin.

Was ich nicht bin
Ist ein jemand
Und auch kein niemand
Ich bin eher jeder gern
Aber ungern keiner

Was ich bin
Will ich gar nicht wissen
Ich bin nicht jemand
Der alles für die Ewigkeit festnagelt
Ich hänge lieber um
Wenn mir Dinge verstauben
Oder male in die schmutzigen Schicht
Mit dem sauberen Finger
Etwas neues hinein

Was ich bin
Ist für jene bedeutsam
Die gerne über sich reden
Und Wichtigkeiten mitteilen
Und Unnützes bestreiten
Aber ich bin lieber keines und
dafür von jedem ein bisschen
Als immer eines zu sein
und alles zu missen.

Sonntag, 15. Februar 2009

Noch einmal

An diesem Tag, an dem wir alle zuende gehen,
da lass uns noch einmal Kinder sein.

In unseren Augen fliegen alle Dinge,
und in unseren Mündern wird alles zu Zucker und Kakao.

An jenem fernen Tage, an dem wir enden,
an dem Stunden versekunden,
alles schwindet,
da lass uns noch einmal zwei Kirschen über beide Ohren hängen,
sitzend auf dem höchsten Ast, dem dünnsten, der uns gerade noch trägt.
Lass uns Steine schnippen, die viermal, fünfmal, hundertmal titschen und flitschen.

An diesem Tage, zu dem mein hüpfendes Herz hinunterzählt,
da lass uns eine Höhle bauen aus zwei Matratzen und einer Pferdedecke.

Denn an diesem Tage werden wir Kinder sein, zum letzten, zum ersten Mal.
Jeder auf seine Weise,
Ob man ihm Grimassen schneidet,
oder sich vor Angst in die Hose pinkelt.

Lass uns doch bitte, ich fass dich bei der Hand,
die Nachbarin, die nette, die dicke, nach einer Nussschnecke fragen.
Bis uns unter den süßen Händen der dralle Bauch schmerzt.

Der Katze am Schwanz ziehen, bis die Mutter schimpft.
Dem Vater die Zeitung bringen und auf eine einzelne Mark hoffen.

Lass uns, lass uns bitte
einen Sandkuchen essen und dann wieder ausspucken.
Uns die Knie blutig schlagen am warmen Sommerasphalt,
von der Schaukel springen in hohem Bogen,
wippen bis einer weint,
kreischen bis die Ohren taub sind
und lachen bis alles kippt und alles wankt.

An diesem Tag, an dessen kahlem Ende wir uns betten,
da lass uns Hölzer in Kastanien stecken
und uns die Finger an heißen Maroni verbrennen,
bunte Folie auf Karton kleben,
durch eine Klopapierolle schauen
und in einen Becher sprechen.

Wir basteln dann eine Laterne, die uns den Weg leuchtet,
wo Sonne, Mond und Sterne nicht mehr scheinen.
Auf dem Weg teilen wir Mantel und das Zuckerbrot.

Auf eine Biene treten,
Uns auf eine Hummel hocken,
Einen Käfer schubsen.

Lass uns in einen Apfel beißen,
Auf einer Plastiktüte rodeln,
über das Eis gehen bevor es bricht.
Der Hund zieht vielleicht den Schlitten.

Lass uns bunte Perlen bügeln,
uns Blumen malen so groß wie das Papier.
Ein Haus aus bunten Klötzen bauen, statisch unmöglich,
der Puppe die Haare schneiden und
den Playmobilmann enthaupten.

Lass uns tausend Kleider anprobieren,
den roten Lippenstift im ganzen Gesicht verschmieren,
Modenschau machen vor dem großen Spiegel.
Erwachsen tun, aber wirklich nur so tun!
Uns mit Rasierschaum einen weißen Rauschebart machen.

Im Garten Tomaten ernten und Unkraut rupfen,
Himbeeren pflücken bis der Mund ganz rot ist und die Hände leer.
Freihändig Fahrrad fahren
Beidhändig klatschen und schief singen
Teller balancieren bis alle zerspringen.

Lass uns weinen bis wir in warmen Armen einschlafen,
um nie wieder aufzuwachen.

Freitag, 13. Februar 2009

Wenn es kommt

1
Du wünschst dir jemand faszinierenden
Jemand unbändigen
Jemand undurchschaubaren
Jemand mysteriösen
Eine Verheißung
Ein Abenteuer
Eine Rutschpartie
Ich verlasse das Zimmer.

2
Ich kenne mich, ich verabscheue mich, ich bin zu eitel und zu verblendet
Ich kann nichts für dich sein
Ich bin für mich selbst nichts
Ich bin flach und bestehe aus einer einzigen Schicht
Dem Tageslicht halte ich nicht stand
Die Relation ist allgegenwärtig.

3
Alles was ich weiß, verliert stets an Bedeutung
Ich verliere damit an Bedeutung
Alles andere wird vollkommen.

4
Und ich werde Jahre und immer Jahre älter mit jeder Atemsekunde
Ich verbrauche mich am Nichts
DIE GLEICHGÜLTIGKEIT IST DAS SCHLIMMSTE.

5
Wo werden Träume geboren
Führ mich dorthin
Lass mich mit den gierigen Händen aus dem Vollen schöpfen.

6
Es ist ein Gewaltakt
Ein Kampf in den Kissen
Mit aufeinandergebissenen Zähnen
Warte ich flehend auf das Mohnfeld
das mich und dich und uns alle verschlingt.

Montag, 15. Dezember 2008

Im Winter

Ich koche Tee und möchte sehen wie meine Haut vom heißen, brodelnden Wasser Blasen wirft, wie mir die Haut hinabfließt in fleischfarbenen Bächen, wie ich mich auflöse allmählich in das strudelnde Wasser, dessen Lebendigkeit mich in sich aufnimmt, mich verteilt, mich zerwirbelt, zerstäubt gar.

Ich bin weiträumig – enthalte Vielheit – Ich bin im Gras unter deinen Füßen

Ich rauche gierig und fühle wie das Gift in mich eindringt, der von meinem heißen Blut ganz warme, organische Rauch streichelt meinen Rachen, umspielt meine Zunge. Ich kann den Tod an meine Lungenecken pochen spüren, wenn ich will. Heute will ich nicht.

Ich bin weder tot noch am leben – wer bestimmt den Zustand, wer definiert ihn?

Am See knie ich, rätsle die Hiroglyphen auf dem Eis, die das geheimnissvolle Wasser hinschrieb als es im kalten Tanze erfror, auf dass es mich - nur mich - innehalten ließe und wundern. Die eisgrauen Hände hängen zitternd über der spiegelnden Fläche, sie halten mein Herz wie ein kostbares Gut. Es pocht und trieft und quillt über vor Leben.

Ich bin ein Kind - ich bin ein alter Mann. Ich gehe hoffnungslos am Stock und ich schreie verzweifelt nach Liebe.

Mittwoch, 10. Dezember 2008

als ob

Du Frager nach meinem Innersten –
Könnt ich dir sagen was es ist,
so wär ich selbst der Löser
Ich konnt schon immer alles
Ich kann lachen und
Mit Kissen werfen
Und ich kann malen mit bunten Stiften
Ich kann tanzen, zu jeder Musik
Selbst der traurigsten
Ich kann genießen, bis die Zunge sich
rollt vor Ekstase
Ich kann
Aber willst du eine Antwort zur falschen frage - du frager
Das kann ich nicht
Ich kann nicht sagen
weshalb ich nicht mehr weinen kann
Und schreiben
Und stillstehen
Ich kann es nicht, ach ich hab es nie gelernt.

Montag, 8. September 2008

Die Suppe

Ich sitze still am Tisch und esse die Suppe, sie ist heiß, verbrennt mir Zunge und Lippen, und Buchstaben sind auch keine drin. Ich esse mein Suppe leer.
Jeden Tag starre ich in meine Suppe und das sich wellende, mit Fettaugen überzogenene Gesicht zeigt keine Regung. Mir ist immer schecht vom Suppe löffeln. Immer schon. Winzig kleine Luftblasen sammeln sich am untergetauchten, verschollenen Löffel, Dampf steigt mir in die Nase. Er riecht nach totem Tier und Verderben, ich esse die Suppe, sie muss leer werden.

Donnerstag, 14. August 2008

Max, eine Begegnung in 7 Akten

VII
Der Tag, an dem ich mit Max über den Regen sprach veränderte vieles. Es war einer dieser Sonntage, entsprungen aus einer Werbung für Waschmittel. Die weißen Laken schmiegten sich um mich, ich betrachtete meine eigenen Haarspitzen, meine Haut, auf der sein Körper unauslöschliche Spuren hinterlassen hatte. Rote Schlieren der wütenden Bisse, aufgestellte Härchen nach sanftem Atmen. Max stand weit weg, diesmal am Fenster, malte mit seinem Atem milchige Muster auf das Fenster, die noch da waren, als er es schon nicht mehr war. Er sagte: Schau, es regnet.
Nur ein kurzer Blick zwischen der geschaffenen Wirklichkeit, nur ein kleiner Tritt ab vom Wege. Ich lächelte, ich wusste, er wollte sagen: Schau nur, wie es regnet, wie jeder Tropfen fällt er im richtigen Licht, unsere Welt in tausend Stücke bricht. Wie es abermillionenmal geschieht, jeden Tag, in aller Welt und wie sich niemand darum schert. Wo wir doch sonst so empfindlich unsere heile Welt verlangen.

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Zuletzt aktualisiert: 14. Januar, 18:08

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